11 Handschwingen

Ein interessantes Problem der Zucht ist gerade in der letzten Schausaison in den Blickpunkt gerückt. Auf der Europaschau in Metz (und wie ich dieser Tage erfuhr auch zur Deutschen Meisterschaft) wurden mehrere Tiere wegen einer vermeintlich »fehlerhaften« Anzahl von Handschwingen herabgestuft. Die Verwunderung war natürlich groß, weil dies in den vergangenen Jahren nie passiert war.

Wie diese Bewertung einzuordnen ist und wie für unsere Zuchten sinnvoll zu verfahren ist, soll hier beleuchtet werden.

Zu Bestimmung der Ausgangsposition ziehen wir zunächst den Text des »Standard Of Perfection« — also die Festlegungen des Rasseclubs des Ursprungslandes USA heran. Dort ist zu den Flügeln zu lesen:

»WINGS. (10 points) In proper proportions to length of body(1). Prominent and powerful through shoulders to butts(2), fitting closely to the body in front view(3). Flights resting on the tail with the two wing tips touching or nearly so(4).

There are to be ten (10) primaries in each wing. If more than ten (10) primaries, this fault shall carry the same weight as having less than 10(5)

Wing coverts should cover the rump smoothly and wel(6). Primaries strong in web and quill(7). Entire shield of wing fitted with smooth, tight, closely overlapped feathering(8). No tendency for wing tips to fall below the tail or to cross over rump(9). Primaries and secondary firmly overlapped and clinging(10). No tendency to sideboards(11). (Revised 6/1/96)«

Weniger bzw. mehr als 10 Handschwingen (primaries) werden also als Fehler bewertet.

Wie ist die Forderung nach 10 Handschwingen züchterisch einzuordnen?

Der perfekte »Giant« ist kompakt und kurz. Es erschließt sich damit leicht, dass zusätzliche Handschwingen nicht in das Konzept passen und eher als Nachteil angesehen werden müssen. Nach unseren Erfahrungen lassen sich aber bei vergleichbaren Tieren gut und gerne Differenzen der Schwingen-Federlänge von mehr als einem Zentimeter nachweisen. Was bedeutet, dass mitunter elf kurze Handschwingen einen optisch »besseren« Flügel ergeben könnten als zehn lange — züchterisch von Vorteil und daher anzustreben werden aber sicher zehn »primaries« sein.

Versucht man anhand der Bewertungskriterien im Herkunftsland die Wichtung des Fehlers aus der Punkzahl (10 von 100), die dem Flügel mit 11 charakteristischen Merkmalen zugemessen wird, auf das in Europa gültige Bewertungssystem umzurechnen, verbietet sich offenbar sofort der Abzug von mehr als einem Punkt. 

Situation in Deutschland

Die Recherche in den allgemeinen Richtlinien des deutschen Verbandes (»Oranger Ordner«) offenbart, dass nur »weniger als 9 und mehr als 11 Handschwingen« als Ausschlussehler zu werten sind.
Zehn Handschwingen sind dort als das geforderte oder anzustrebende Normal angegeben.

Somit sollte es bei ansonsten gleichwertigen Tieren den Vorzug für zehn Handschwingen geben, eine Abwertung von Tieren mit elf (oder neun) Schwingen (sogar unsymmetrisch) ist jedoch nicht möglich.

Fehlende Regelung im EE-Standard?

Der für Ausstellungen in Europa gültige und damit natürlich bindende EE-Standard für »Giant Homer« legt sich bezüglich der geforderten Schwingen-Anzahl nicht fest und kann damit zur Beurteilung der Sachlage nicht beitragen. Warum bei der Beschreibung der Rasse in diesem Punkt nicht auf den amerikanischen Text zurückgegriffen wurde, ist nicht zu erkennen.

 

Regelung der EE: Allgemeine Bewertungsrichtlinien für Rassetauben

Für explizite EE-Ausstellungen sollten diese Bewertungsrichtlinien Gültigkeit besitzen. Sie sind ggfs. sogar für für das EE-Gebiet allgemein gültig und würden dann deutsche Regeln "brechen". Was aber ohne Belang ist, da sie sich inhaltlich im Ergebnis bei unseren »Giants« decken. Es wird wohl jeder anerkennen, dass »Giant Homer« große Formentauben sind.



 



FAZIT

Auch ohne eine explizite Regelung für unsere Rasse ist anhand der obigen Einordnung zu erkennen, dass es u.a. züchterisch sinnvoll ist, die Schwingenzahl zu beobachten und züchterisch auf 10 zu fixieren.

Eine Bestrafung von Tieren mit 11 (oder 9) Handschwingen ist nicht korrekt.

Eine Herabstufung durch einen »Wunsch« bei sonstiger Gleichwertigkeit ist nicht zu beanstanden und erscheint sinnvoll.

Eine Herabstufung um maximal einen Punkt wäre bei Anlehnung an den Mutterlands-Standard denkbar. Dies ist jedoch derzeit nicht über in Deutschland oder Europa gültige Regeln gedeckt und muss folglich unbedingt unterbleiben.

[üa. 18.11.21016 Torsten Nitsche]

Zurück